ETL Mittelstandskompass 2023: Es geht um Resilienz
Resilienz ist die Fähigkeit, auf unerwartete Krisen flexibel zu reagieren, sie abzufedern und zu überwinden. Resilienz kann sogar noch mehr: Sie erlaubt, aus Krisen zu lernen und Chancen zu nutzen. Das gilt für Menschen ebenso wie für Unternehmen. Aber wie wird man als Unternehmen resilient?
„Resilienz ist keine Zustandsbeschreibung, sondern muss als kontinuierlicher Prozess angesehen werden, um mit unvermeidbaren Störungen umzugehen“, heißt es im ETL Mittelstandskompass 2023. Für die Studie wurden 503 Mittelständler befragt, Experten von IW Consult haben die Antworten ausgewertet. Dabei untersuchten sie vier Dimensionen: Strategie, Unternehmenskultur, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Ihre Kernerkenntnis: „Resiliente und widerstandsfähige Unternehmen sind erfolgreicher.“
Resilienter werden für morgen
„Resilienz beginnt immer in den Köpfen und muss daher Chefsache sein“, so eine der Hauptaussagen der Studie. Unternehmen sollten mit den Veränderungen arbeiten, nicht dagegen. „Entwicklungen im Umfeld von Unternehmen müssen frühzeitig erkannt werden, und es müssen zielorientierte Maßnahmen wie die Umsetzung digitaler Prozesse und einer umfassenden Nachhaltigkeits- und Diversitätsstrategie erfolgen“ rät der ETL Mittelstandskompass. Die Leitlinie dafür sei immer der Purpose eines Unternehmens. Er definiert den Sinn Zweck sowie das Selbstverständnis und ist ein Attraktivitätsfaktor für Mitarbeitende, Kunden, Nachfolger und Investoren. „Wenn der Purpose unbekannt oder von gestern ist, wird es keine Widerstandsfähigkeit für morgen geben“ heißt es in der Studie mahnend.
Sind die deutschen Mittelständler bereits heute widerstandsfähig? Das wäre eine erfreuliche Botschaft. Allerdings ergibt die Studie, „dass Resilienz aus Sicht der Befragten zwar grundsätzlich eine hohe Bedeutung einnimmt, die Umsetzung jedoch nur zögerlich angegangen wird“. Das hat viel mit der Unternehmenskultur zu tun. „Während erfolgreiche Unternehmen die Relevanz von starker, werteorientierter Führung und die Vermittlung von Zuversicht hervorheben, steht bei weniger erfolgreichen Unternehmen die Einhaltung und Umsetzung von Plänen im Vordergrund“, sagt Christoph Tönsgerlemann, CEO der ETL Prüfung & Beratung. Je starrer ein Unternehmen, desto härter wird es von Krisen getroffen.
Unternehmenserfolg durch Innovationen
„Resilient wird man vor, nicht während der Krise“, sagte Studienleiter Lennart Bolwin von IW Consult bei der Vorstellung des ETL Mittelstandskompasses 2023 und empfahl: „Denken Sie auf Vorrat!“ Aber wie soll das gehen? Indem man sich auf verschiedene Szenarien einstellt und so vermeidet, von Entwicklungen komplett überrascht zu werden. Resilienz „beschränkt sich nicht auf ein reaktives Zurückspringen in den Ursprungszustand (,Bounce back‘), sondern bezieht eine antizipative und proaktive Transformationsfähigkeit (,Bounce forward‘) mit ein“, heißt es im ETL Mittelstandskompass 2023. „Hat sich ein Unternehmen ein breites Spektrum an Optionen für die strategische Weiterentwicklung erschlossen, ist es besser für den Krisenfall und plötzlich wegbrechende Optionen gewappnet.“
Ein wichtiger Aspekt sind Innovationen: „Erfolgreiche Unternehmen entwickeln ihr Geschäftsmodell kontinuierlich weiter und generieren durch inkrementelle oder disruptive Innovationen Wettbewerbsvorteile.“ Dabei müssen Mittelständler sich nicht auf eigene Ressourcen beschränken. „Schließen Sie sich mit anderen zusammen und tauschen Sie Erfahrungen und Wissen aus“, heißt es im ETL Mittelstandskompass 2023. „Innovation und Fortschritt entstehen nämlich längst nicht mehr allein im stillen Kämmerlein, sondern es braucht dafür unternehmens- und branchenübergreifende Kooperationen.“
Dafür braucht es eine Unternehmenskultur, die offen ist für Neues. Leicht gesagt, aber schwer umzusetzen. Viele Führungskräfte sind eingebunden in starre Vorgaben und leben gegenüber ihren Mitarbeiter*innen ein ausgeprägtes Kontrollbedürfnis aus. Freiräume? Das Prinzip „Versuch und Irrtum“? Die meisten Mittelständler fremdeln damit – und schaden sich selbst, wie die Studie von ETL herausarbeitet: „Die konkreten Maßnahmen zur Resilienzerhöhung variieren, immer aber kommt es auf eine ausgewogene Balance zwischen einer Stärkung von Robustheit und einer Erweiterung von Flexibilität an.“ Die Aufgabe der Führungskräfte: auf Grundlage klarer und nachvollziehbarer Werte zu handeln und Zuversicht auch in schwierigen Zeiten zu vermitteln.
Resilienter werden durch Nachhaltigkeit
Weniger Impact auf die Resilienz zeigen die untersuchten Dimensionen Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Wer als Unternehmen allerdings die Digitalisierung verschlafen hat, kann noch schwieriger auf Krisen reagieren – es fehlt schlicht am Instrumentarium.
Während heute so ziemlich alle Mittelständler ihre Digitalisierung – freiwillig oder notgedrungen – vorantreiben, werten viele von ihnen Nachhaltigkeit als Buzzword, das wenig mit ihrem Geschäft zu tun hat. Doch „wer Nachhaltigkeit ignoriert, wird es schwer haben“, warnt Tönsgerlemann, CEO der ETL Prüfung & Beratung. Er hört häufig, dass Mittelständler erst mal abwarten, bis es verbindliche Standards gibt. „Wer solange wartet, darf sich nicht wundern, wenn er abgehängt wird.“
Unternehmen sollten schon jetzt durchdenken, welche Chancen Nachhaltigkeit für ihr Geschäft eröffnet. Sonst können sie dabei zusehen, wie andere Unternehmen diese Chancen erfolgreich nutzen. Weil diese Unternehmen einfach flexibler sind – und resilienter. Christoph Tönsgerlemann versteht die Ergebnisse des ETL Mittelstandskompasses 2023 daher als „Weckruf“. Wer nicht von Krisen überrascht werden will, muss sich vorbereiten – und schon heute damit anfangen.